Faszinierende, musikalische Begegnung mit der Seele der Ukraine

In die Tiefe und Wärme der ukrainischen Seele entführten drei engagierte junge Musikerinnen am Samstagabend ihr Publikum im evangelischen Gemeindehaus von Philippsthal.

Anna Nizmegorodowa und Irina Schulga begeisterten mit ihrem Spiel der Bandura und ihrem Gesang, Anna Bartsikhovska mit dem Akkordeon. Alle drei sind fortgeschrittene Studentinnen der Kiewer Musikakademie, einem Mitglied der freien Kiewer Musikervereinigung. Durch das Konzert führte Natalija Ryzha, die zusammen mit ihrem Bruder Roman Ryzhyi das in Kiew beheimatete Beriska-Ensemble leitet. Sie kümmern sich um den musikalischen Nachwuchs im Bereich der traditionellen ukrainischen Musik und unterstützen auch regelmäßig mit Benefizkonzerten Kinderheime in der Kiewer und Tschernihiwer Gegend.

Bereits die Zusammenstellung der Instrumente stellte einen Spiegel ukrainischer Kultur dar, handelt es sich doch bei der Bandura um ein traditionelles ukrainisches Saiteninstrument, auch ukrainische Lautenzither genannt. Es wird mit beiden Händen gezupft und dabei ähnlich wie eine kleine Harfe gehalten. Im Klang erinnert die Bandura an eben diese Instrumente, nämlich Laute, Zither, keltische Harfe. Das Instrument, das bereits in Quellen des Mittelalters Erwähnung findet, erlebte in seiner Heimat Höhen und Tiefen, ja sogar Verfolgung in der Zeit der sowjetischen Regierung. Diese bekämpfte alle Spuren ukrainischen Nationalbewusstseins, das sich eben auch im Banduraspiel ausdrückte. Heute erfreut sich die Bandura wieder großer Beliebtheit in der Ukraine, besonders die so genannte Kiewbandura mit ihren ca. 70 Saiten, die das Philippsthaler Publikum kennen lernen durfte.

Im ersten Teil des Konzerts präsentierten die drei Musikerinnen klassische Kompositionen – von Vivaldi über den Ukrainer Oliynyk bis hin zu Johann Sebastian Bach – im Wechsel mit ukrainischen geistlichen Liedern. Dabei variierten sie zwischen Solo-Instrumenten, Solo-Gesang, Gesangsduo und vor allem Gesang kombiniert mit Bandura- und Akkordeon-Spiel und erreichten damit eine maximale Bandbreite ihres traditionellen ukrainischen Repertoires. Mit ihren klaren Stimmen, ihrem fantastischen Stimmvolumen und ihrem temperament- und gefühlvollen Vortrag bezauberten Anna Nizmegorodowa (Sopran) und Irina Schulga (Alt) ihr Publikum. Natürlich hatte auch die unbekannte ukrainische Sprache eine gewisse geheimnisvolle Wirkung. Angeregt von den Titeln, wie z.B. „Die weinende Mutter Gottes“, „Weihnachten“, „Freu’ dich Jungfrau“ begab man sich auf musikalische Fantasiereisen. Sogar eine völlig ungewohnte und unverkitschte Fassung von „Stille Nacht, heilige Nacht“ (Bandura und Gesang) lernte man kennen.

Im zweiten Teil des Konzerts dominierten ukrainische Volk- und Liebeslieder. Die Musikerinnen wurden immer lebhafter und ließen zunehmend auch ihre schauspielerischen Talente mit einfließen. So konnte man in dem Lied von der jungen Frau, die auf ihren Geliebten wartet, im sehnsüchtigen und wehmütigen Banduraspiel, Gesang und Minenspiel der Instrumentalistinnen verfolgen, dass dieses Warten wohl nicht von Erfolg gekrönt war. Aber nicht nur tragische Liebe wurde musikalisch in Szene gesetzt, sondern auch glückliche Liebe, Tänze, das Musikerdasein, ein Witz, ein ukrainisches Lied „für alle Frauen im Saal“ und zum Abschluss eines, das allen Anwesenden „glückliche Jahre und Gesundheit“ wünschte, so die Moderatorin. Immer wieder traten dabei die Musikerinnen mit ihren Instrumenten wie auch mit ihrem Gesang in einen Dialog – mal heiter und unbeschwert, mal mit gespieltem, augenzwinkerndem Ernst. Bisweilen stritten die zarteren Klänge der Banduras mit den strengeren des Akkordeons oder sie spielten in fröhlicher Harmonie und fast immer in schwindelerregendem Tempo.

Drei Zugaben, bei denen sogar noch Tango-Rhythmen erklangen, rundeten eine beeindruckende Reise in die reiche, ukrainische Kultur ab. (Fin)

Fotos: T. Rosenstock